„Zeigen, wie man Fische fängt“

Bei seinen Einsätzen in ausländischen Betrieben vermittelt Roland Pietschmann aus Hardheim (Dritter von links) sein Fachwissen als Fleischermeister.

Sie gehören nicht zum „alten Eisen“. Ihre Ideen, ihre langjährige Berufserfahrung und das dabei erworbene, umfangreiche Wissen werden in aller Welt geschätzt. Die Rede ist von den Fachleuten der Organisation Senior Experten Service (SES), die sich seit 1983 rund um den Globus engagiert und ihre Hilfe anbietet. Ob im Hotelbetrieb in Thailand, bei einer aufstrebenden Kfz-Werkstatt in Afrika, im Bäckerladen in Südafrika oder in einer Fleischfabrik in Mittelamerika: Der Rat und die fachmännische Unterstützung der Senior Experten wurden zu einer der effektivsten Formen der Entwicklungshilfe, die die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft, der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) und der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) zu bieten haben. Einer der Senior Experten, Roland Pietschmann, kommt aus der Erftalgemeinde Hardheim.  39 Einsätze dieser ehrenamtlichen Tätigkeit stehen bis jetzt im „Auftragsbuch“ des Fleischermeisters, der in wenigen Monaten 76 Jahre alt wird.

„Ich war gerne da“

Bis heute hat sich nichts an seiner Meinung zu dieser Form der „Hilfe zur Selbsthilfe“ geändert: „Ich war gerne da und half, wo und wie ich konnte. Das ist in jedem Falle besser, als wenn eine Organisation nur Geld zur  Verfügung zu stellt, von dem niemand weiß, wo und wie es ankommt und wer es wie verwendet.“ Die Anregung zu seinem ehrenamtlichen Engagement bekam Roland Pietschmann bei einem Gespräch mit dem afrikanischen Bischof Comba, den er in den 70er Jahren in seiner Eigenschaft als Pfarrgemeinderat der Hardheimer Kirchengemeinde „St. Alban“ kennen lernte. „Du darfst uns nicht den Fisch geben, sondern Du musst uns eine Angel geben und zeigen, wie man die Fische fängt“. Ein Satz, den Roland Pietschmann sich einprägte und ihn zum Nachdenken anregte.

Schnell war der Kontakt zur Hilfsorganisation Senior Experten Service (SES) geknüpft, den DIHT und DHWT in den frühen 80er Jahren mit Unterstützung der Bundesregierung ins Leben riefen. Seit 1983 entsendet SES Experten zur Selbsthilfe für Bedürftige. Die Einsatzorte sind über den ganzen Globus verstreut, die Einsätze umfassen praktisch alle Berufssparten. Für den Hardheimer Fleischermeister wurden der südamerikanische und der afrikanische Kontinent schnell zum bevorzugten Einsatzgebiet, wobei ihm seine spanischen und englischen Sprachkenntnisse sehr zugutekamen. Von Mexiko bis Argentinien und Chile unterhielt er sich mit seinen Mitarbeitern in Spanisch, im südafrikanischen Johannesburg wurde Englisch gesprochen.

Die Tätigkeiten waren unterschiedlich breit gefächert und reichten von der Standortsuche (Infrastruktur, Wasser, Energie) über die Betriebsplanung bis zu Präsentation der hergestellten Fleisch- und Wurstwaren. Natürlich vermittelte der ehemals selbständige Metzgereiinhaber auch praktische Kenntnisse bei der Schlachtung, Verarbeitung und Wurstherstellung (Rezepturen, lokales Angebot an Gewürzen), wirkte beratend bei Marketingfragen (Essgewohnheiten, Extrawünsche, Kalkulation und Marktbeobachtung) mit und löste logistische Probleme im Catering (Partyservice, Dekoration, Belieferung internationaler Hotels, Flugzeugverpflegung).

Nicht selten reichten die vorhandenen Materialien, Werkzeuge und Maschineneinrichtungen nicht aus oder waren unbrauchbar, und es half nur noch die spontane Improvisation, um das Vorhaben zu realisieren. „Der Rat wurde immer sehr wohlwollend aufgenommen, akzeptiert und in die Tat umgesetzt“, erinnert sich Roland Pietschmann heute. „Es war nicht nur ein Geben, es kam immer auch sehr viel zurück und ich konnte spüren, dass die Leute überzeugt waren, von dem, was ich Ihnen beibringen konnte“, bilanziert der Senior-Experte im Rückblick seine Tätigkeit. Für ihn sei jede Begegnung mit den Menschen in der Fremde eine große Bereicherung gewesen und er habe dabei auch gesehen, dass das Duale Ausbildungssystem, wie es hierzulande praktiziert werde, eine einmalige und weltweit anerkannte Form der Berufsausbildung darstelle, die man unbedingt beibehalten müsse.

 

Bildquelle: Archiv Roland Pietschmann