Oma Toppelreiter hat vieles in ihrem Leben noch spät radikal verändert. Zum Positiven, wie sie immer wieder berichtet. Aber wie kam es zu alldem? Um diese Frage zu beantworten hilft ein kurzer Blick in Omas Vergangenheit. Sie verlor ihre Mutter einige Wochen nach der Geburt und ihren Vater als Jugendliche. Darüber hinaus war das Geld oft knapp. Fast ihr ganzes Leben lang lebte sie daher als Hausfrau, Mutter und Großmutter eher vorsichtig, wenn nicht sogar ängstlich. Nachdem Oma Toppelreiter ihren Mann gemeinsam mit ihrer Tochter bis zum Tod zuhause pflegte, fiel sie in ein tiefes Loch und verlor fast ihren Lebenswillen. Ihre Familie gestand ihr natürlich ihre Trauerzeit zu.
Ihr Enkel Michael war es, der ihr nach mehr als einem halben Jahr mit einer provokanten Frage und einem anschließenden Geschenk zu einer vielleicht sogar lebenswichtigen Entscheidung verhalf. Er sagte zu ihr: „Oma, du warst immer für uns alle da. Es ist an der Zeit, dass du etwas für dich tust. Du musst etwas unternehmen. Entscheide dich, ob du leben oder sterben willst.“ Nach einem kurzen Schock, war für Oma Toppelreiter ganz klar: Sie will leben. Daraufhin öffnete Michael die Doppelseite des Atlas, die Europa zeigt. Oma sollte nun entscheiden, an welchen Ort sie ihre erste Reise führen soll, der mehr als 300 Kilometer von ihrem Heimatort entfernt liegt. Sie entschied sich für Malta und somit war es ebenfalls besiegelt, dass Oma ein Flugzeug bestieg.
Mit 87 trat sie schließlich ihre erste Flugreise in ihrem Leben an und genoss den Urlaub in Malta in vollen Zügen. Sie unternahm gemeinsam mit Maria und Michael einige Ausflugsfahrten, Spaziergänge und Bootfahrten. Während dieses Aufenthaltes kam sie auf den Geschmack, bereiste weiters Irland, Frankreich und Italien, entdeckte die Schönheit Spaniens und vor allem auch die einzigartige Stimmung des Pilgerns.
Der „Erstkontakt“ mit Santiago de Compostela, Finisterre und überhaupt dem Camino de Santiago erfolgte 2009. Sie sagte zu Michael, der gerade seine erste Pilgerreise zu Fuß hinter sich hatte: „Obwohl der Besuch der Kathedrale für mich etwas ganz großes ist, sehen diese Pilger irgendwie noch glücklicher aus.“ Michael entgegnete ihr: „Natürlich sehen die glücklicher aus, die haben ja auch alle mehrere hundert Kilometer in den Beinen und erreichen in dem Moment ihr wochenlang angestrebtes Ziel.“ Oma wurde in dem Moment ganz andächtig und fragte leise: „Glaubst du, kann ich das auch schaffen?“ Michael sagte ihr: „Wenn du es wirklich willst und dafür trainierst, dann wirst du es auch schaffen.“ Seitdem träumte Oma Toppelreiter davon, selbst die älteste Pilgerin auf dem Jakobsweg zu sein.
Tatsächlich pilgerte sie mit über 90 Jahren 120 Kilometer auf dem Jakobsweg und erhielt die Compostela (Pilgerurkunde).
Ärzte und viele „Freunde“ prophezeiten ihr, dass eine über 90jährige „nicht mehr kann“ und sich lieber „schonen“ solle. Natürlich war es nicht einfach, mit den ganzen negativen und einschränkenden Aussagen umzugehen. Daher entschloss sich Oma für einen Schritt, der ihr nicht ganz leicht viel: Sie hielt nur noch Kontakt mit den Menschen, die an sie und ihre Vorhaben glaubten.
Sie sprach nur mehr mit diesem ausgewählten Kreis über Ihre Vorhaben und mit allen anderen nur über Resultate. Zum Beispiel, dass sie täglich mehrere Stunden zu Fuß und mindestens eine halbe Stunde am Home-Trainer trainierte.
Oma Toppelreiter zeigte sich und allen Zweiflern, dass es zum Erfolg führt, wenn ein Ziel einem Herzenswunsch entspricht. Mittlerweile will Oma Toppelreiter Menschen in jedem Alter helfen, wieder an sich zu glauben, sich Ziele zu setzen und diese auch zu verwirklichen.
Sie hat ein Buch mit dem Titel „Mit 90 auf dem Jakobsweg – Wenn nicht jetzt, wann dann?“ geschrieben, indem sie inspirierend und gleichermaßen konkret erzählt, wie sie es schaffte, vieles in ihrem Leben zum Positiven zu verändern und zeigt, wie jede und jederes schaffen kann. Egal, in welchem Alter.
Obwohl oder gerade weil Oma fast ihr Leben lang ein zurückgezogenes Leben führte, ist es ihr wichtig, dass Ihre bestärkende Botschaft in die Welt getragen wird und möglichst viele Menschen erreicht.
Bildquelle: Oma Toppelreiter – Foto: privat