„Eine unwahrscheinliche Bereicherung“

Gemeinsam aktiv: Die Alltagsbegleiterin Sonja Hanselmann setzt mit den Senioren in Tauberbischofsheim Tomatenschösslinge ein.

Auf dem Tisch am Ende des Flures steht schon alles bereit. Töpfchen aus Plastik, Pflanzensprösslinge und eine kleine grüne Gießkanne warten dort auf ihren Einsatz. „Wo sind meine Gärtner?“, ruft Sonja Hanselmann. Die fröhliche und aufgeschlossene Frau ist eine von insgesamt acht Betreuungsassistentinnen in der Pflegeeinrichtung des Johannes-Sichart-Hauses in Tauberbischofsheim. Sie hat die anstehende Tomatenpikieraktion für die dortigen Bewohner organisiert.

Ein angepasstes Pflegegesetz macht möglich, dass jeder Heimbewohner und nicht nur Demenzkranke einen Anspruch auf eine Betreuungskraft hat. „Vom Gesetzgeber her sind 20 Bewohner einer Stelle zugeteilt“, sagt Hausdirektorin Anna-Maria Witte. Ganz bewusst werden die Betreuungsassistenten in der Einrichtung „Alltagsbegleiter“ genannt. „Ich finde, Alltagsbegleiter sind eine unwahrscheinliche Bereicherung“, so die Hausdirektorin Witte. Sie entlasteten die Pflegekräfte und seien eine Art Bindeglied.

Breites Tätigkeitsfeld

Das Tätigkeitsfeld von Betreuungsassistenten in Pflegeeinrichtungen ist dabei breit gefächert.  „Wir rätseln und machen Gedächtnistraining“, erzählt Sonja Hanselmann. „Auch die Tageszeitung wird durchgeschaut.“ Es komme oft eine Erzählrunde zustande. Weltpolitische Themen stehen dabei hoch im Kurs. Wenn das Wetter es zulässt, gehen die Senioren in den Garten. Je nach Unternehmung variiert die Gruppengröße. Auch basale Stimulation, Aromapflege oder Aromatherapie sind häufig Bestandteil des Handelns. „Defizite will ich nicht hervorrufen“, erklärt die Alltagsbegleiterin. Filigrane Bastelarbeiten bleiben außen vor. Beim Arbeiten mit Pflanzen sei auch viel Fingerspitzengefühl notwendig. „Aber dort ist ein anderes Gefühl dafür da – ein Gewachsenes“, sagt sie. Die aufgestellten Wochenpläne werden als roter Faden genutzt. Akribisch sich daran zu halten, sei allerdings nicht immer möglich. Ob ein Vorhaben auch wirklich funktioniert, sei dabei von der Tagesform der Menschen abhängig. Alles kann, nichts muss. Die Personen können sich aussuchen, ob und bei welcher Aktivität sie mitmachen möchten.

Zwölf Wochen Ausbildung

Zwölf Wochen dauert die Ausbildung zum Betreuungsassistenten. Kerstin Rebscher, Dozentin im Gesundheitswesen, leitet Fortbildungen der „Donner und Partner Bildungszentren“ in Tauberbischofsheim. In Theorieblöcken vermittelt sie das notwendige Know-How, das durch Praktika vertieft wird. „Die Motivation der Teilnehmer ist immer sehr hoch“, erklärt Rebscher. Die jeweiligen Vorbildungen sind unterschiedlich. Zwischen 31 und 59 Jahren sind die aktuellen Teilnehmer im Kurs. Einige von ihnen arbeiteten bereits in der Pflege, andere wiederum sind komplette Quereinsteiger. So lassen sich Bürokauffrauen, Verkäuferinnen und Hotelfachfrauen umschulen, die ihre Affinität zur Betreuung von älteren Menschen entdeckt haben. Viele von ihnen bringen auch bereits Erfahrungen mit zu betreuenden Familienangehörigen oder Nachbarn mit.

Besonders toll an ihrem Job findet Sonja Hanselmann die Begegnungen mit den verschiedenen Personen in der Pflegeeinrichtung. Außerdem gefalle es ihr,  selbstständig zu arbeiten. „Wichtig ist, dass ich mir Zeit nehmen darf“, so die Alltagsbegleiterin. Manchmal müsse sie sich allerdings schützen, nicht alles zu nah an sich heranzulassen. „Verluste erleidet man hier auch, das ist nicht von der Hand zu weisen“, sagt Hanselmann. Diese lassen sie innehalten und der Schmerz bleibe dabei nicht aus. Auf die Frage, wie sie mit solchen Situationen umgeht, antwortet sie: „Man muss lernen, damit einverstanden zu sein.“

Geduld, Flexibilität, Empathie und Wertschätzung – das sind Voraussetzungen, die man nach Angaben der Kursteilnehmerinnen von Kerstin Rebscher für eine Tätigkeit als Betreuungsassistent mitbringen sollte. Und: „Mit dem Herz dabei sein.“ Das heben sie besonders hervor. Aber daneben sind auch weitere Eigenschaften wichtig. Alltagsbegleiter in der Seniorenarbeit brauchen Allgemeinwissen und Interesse an allem, was einen umgibt, berichtet Sonja Hanselmann aus Erfahrung. Ebenso gehören Aufgeschlossenheit sowie eine gute Beobachtungsgabe dazu. „Und natürlich kreativ sein wäre nicht schlecht.“

Bildquelle: Katharina Mergel